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2010

Einladung
zur
51. Delegiertenkonferenz
des Österreichischen Akademikerbundes
am Freitag, 8. Oktober 2010
Beginn 10 Uhr
in der Julius-Raab-Halle der Politischen Akademie, Tivoligasse 73, 1120 Wien.
Tagesordnung
1. Begrüßung, Entschuldigungen, Genehmigung der Tagesordnung
2. Genehmigung des Protokolls der 50. Delegiertenkonferenz vom 26.3.2010
3. Diskussion und Abstimmung über die neuen Statuten
4. Bericht des Generalsekretärs
5. Jahrsabschluss 2009 unhd Berichte der Rechnungsprüfer über das Jahr 2009
6. Voranschlag für das Jahr 2011
7. Bericht des Präsidenten
a) Wiener Akademikerbund
b) Schiedsgerichtsverfahren
8. Wahl der Mitglieder des Präsidiums, der 2 Rechnungsprüfer sowie von je 3 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des ÖAB
9. Allfälliges

Der frühere deutsche Bundespräsident Roman Herzog hat mit 2 Mitautoren in der FAZ vom 15.1. d.J.  einen Artikel zur EU veröffentlicht, der die Probleme mit deren Akzeptanz bei den Bürgern glasklar formuliert.
Der Österreichische Akademikerbund möchte diesen Artikel zur Diskussion zu stellen und lädt alle Mitglieder des AB ein, ihre Kommentare dazu an das Büro des Österreichischen Akademikerbundes (Tivoligasse 73, 1120 Wien, Fax: 01/8142079, e-mail: office@akademikerbund.at) zu richten.

Klicken Sie hier um den Artikel zu lesen: Brüsseler Institutionen „Die EU schadet der Europa-Idee“Von Roman Herzog, Frits Boltkestein und Lüder Gerken, FAZ, 15. Januar 2010

Schadet die EU der Europa-Idee?

Der ehemalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog und der frühere EU-Kommissar für den Binnenmarkt Frits Boltkestein sind keine Unbekannten in der Europapolitik. Wenn sie sich entschließen (gemeinsam mit Lüder Gerken, dem Leiter des Centrum für Europäische Politik CEP), einen Artikel zu publizieren, der den schönen Titel „Die EU schadet der Europa-Idee“ trägt, dann sollte man sich mit den Argumenten der drei Herren einmal auseinandersetzen.

Im wesentlichen kritisieren die Autoren, daß die EU (bzw. die Mitgliedstaaten der EU durch die EU) zu oft über die Köpfe der Bürger hinweg entscheide, daß vielfach Entscheidungen falsch seien, daß sich die EU-Bürokratie in Dinge einmische, die sie gar nichts angehen, daß sie aber zu schwach bei wirklich wichtigen europäischen Themen (beispielsweise europäische Außenpolitik) sei, und daß vor allem das Subsidiaritätsprinzip zu wenig geachtet werde.

Soweit so gut. Dieser Analyse kann man ja in vielen Bereichen zustimmen. Warum aber Herzog, Boltkestein und Gerken zu dem Schluß kommen, die Regierungen der Mitgliedsstaaten sowie die Parlamente der Mitgliedsstaaten seien berufen, als Hüter der Subsidiarität aufzutreten, bleibt schleierhaft. Vor allem wo sie selber das Beispiel des „german vote“ bringen. Damit wird ein Abstimmungsverhalten der deutschen Bundesregierung (in der EU) charakterisiert, bei dem vorerst eine neue EU-Regelung heftig kritisiert wird, man sich aber dann der Stimme enthält. Und sind es nicht die Regierungen und Parlamente der Mitgliedsstaaten, die den alles regulierenden umverteilenden Wohlfahrtsstaat erfunden haben? Ja sind es nicht die gleichen Akteure, die ganz froh darüber sind, daß man neue Kontrollmaßnahmen, Überwachungsmethoden und sonstige Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger über die EU leichter einführen kann, weil es nach wie vor keine europäische Öffentlichkeit gibt, auf nationaler Ebene aber Widerstand gegen den totalen Staat durchaus zu erwarten wäre?

Geradezu unglaubwürdig werden die drei Autoren aber dann, wenn sie sich zur Klimapolitik äußern, ohne einmal grundsätzlich in Frage zu stellen, was denn die These vom durch den Menschen verursachten Klimawandel überhaupt soll, und nur andere Maßnahmen der Klimapolitik fordern, als es die aktuellen Politiker tun.

Daß viele Maßnahmen der politischen Nomenklatura (auf Ebene der EU-Länder aber auch auf EU-Ebene) die Idee der europäischen Einigung in Verruf bringen, darf aus der Sicht Paneuropas als gegeben angenommen werden. Das aber ist Folge des politischen Systems in dem wir leben. Zumindest Herzog und Boltkestein haben ihre Karrieren in diesem politischen System der Parteienherrschaft gemacht.

Tatsächlich ist es die Pervertierung der Demokratie durch das gegebene Parteiensystem, in Verbindung mit einer längst zum Selbstzweck verkommenen Bürokratie, die uns die aktuellen Probleme beschert. „Immer weniger vertreten die Parteien Ideen oder politische Grundsätze, immer mehr wird es ihr eigentlicher Zweck, die Macht zu erobern und festzuhalten“, schrieb Dr. Otto von Habsburg bereits in „Politik für das Jahr 2000“, das 1968 erschienen ist. War der Mandatar in der repräsentativen Demokratie ursprünglich als Vertreter des Volkes – und damit seinem Wähler, dem Bürger seines Wahlkreises, verantwortlich – gedacht, so ist er längst zu einem Interessenvertreter des Parteiapparates geworden. Nicht mehr der Souverän (der Bürger in der Demokratie) entscheidet, wer ihn im Parlament vertritt, denn auf die Liste für die Wahl kommt nur, wer weiß sich im Parteiapparat zu bewähren.

Der bekannte deutsche Rechtsprofessor und politische Denker Paul Kirchhof, drückte das einmal so aus: „Die Demokratie glaubte, allein durch das Gesetzgebungsverfahren die Steuerlast gleichmäßig und maßvoll gestalten zu können. Wenn der Steuerzahler selbst, repräsentiert durch seine Abgeordneten, im Parlamentsgesetz über Art und Intensität der Besteuerung entscheide, werde er sich schon gegen übermäßige Lasten und gegen die Privilegien anderer schützen. … Dem Gesetzgeber gelingt es jedoch gegenwärtig nicht, diese Kultur des Maßes im Steuerrecht zu gewährleisten. … Der Abgeordnete empfiehlt sich seinen Wählern gegenwärtig nicht als Garant niedriger Steuern, sondern als Vordenker für neue Staatsleistungen. … Der demokratische Gedanke hat sich gedreht. Der Leistungsstaat dominiert den Steuerstaat.“

Ludwig Erhard, der vielen als Vater der sogenannten „sozialen Marktwirtschaft“ gilt, hat seine Kritik am mittlerweile vorherrschenden System ebenfalls bereits vor mehr als 40 Jahren formuliert. „Nichts ist darum in der Regel unsozialer als der sogenannte Wohlfahrtsstaat, der die menschliche Verantwortung erschlaffen und die individuelle Leistung absinken lässt. (Denn kein Staat könne seinen Bürgern mehr geben) als er ihnen vorher abgenommen hat, und das noch abzüglich der Kosten einer zwangsläufig immer mehr zum Selbstzweck ausartenden Bürokratie.“

Als Anfang der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts der damalige Präsident der EU-Kommission Sicco Mansholt mit seinem Mansholt-Plan eine allwissend-weise Bürokratie etablieren wollte, die schon alles für die Bürger regeln werde, kam heftiger Widerspruch vom Paneuropa-Gründer Richard Coudenhove-Kalergi. Nicht der bevormundende Staat sondern der freie Bürger stand im Mittelpunkt seiner Paneuropa-Idee. Im Nachruf, den Otto von Habsburg 1972 auf Coudenhove-Kalergi schrieb, bezeichnete er diese Idee der alles regulierenden Bürokratie als kürzesten Weg in eine neue Form des Totalitarismus. Der heutige Ehrenpräsident der Paneuropa-Union bezeichnete es als „bürokratischen Totalitarismus“.

Herzog, Boltkestein und Gerken sind natürlich nicht durch die Schule Paneuropas gegangen. Deshalb wollen wir ihnen auch keinen schweren Vorwurf machen, wenn sie in ihrer Kritik in den Schemata des herrschenden bürokratischen Totalitarismus bleiben, eben nur auf einer anderen Ebene.

Aber ihr Kritik-Ansatz zeigt nur, wie wichtig es für Paneuropa ist, die eigentliche Idee und das eigene Profil wieder stärker in den Vordergrund zu stellen. Wer wenn nicht Paneuropa wäre berufen, die Fehlentwicklungen in der politischen Nomenklatura EU-Europas mit Leidenschaft und Mut zur Wahrheit zu bekämpfen.
Ein Kommentar von Rainhard Kloucek